Leseproben


Patric selbst

Patric wurde am 30. März 1988, 13 Uhr, einem Mittwoch vor dem Osterfest, geboren. Es war herrliches Frühlingswetter und eigentlich wollte ich an den Feiertagen wieder zuhause sein. Doch er nahm sich mit seinen 52 Zentimetern und 3.800 Gramm Zeit und so verbrachten wir Ostern in der Klinik. Patric kam mit wenigen kurzen dunklen Haaren, die sich später in einen rötlich-braunen Ton änderten, mit blauen Augen und einem zerknautschten, aber pausbäckigen Gesicht zur Welt. Der erste Fototermin in der Klinik gefiel ihm gar nicht. Mit einer abwehrenden Handbewegung und dem Ansatz eines gleich hörbaren Geschreis ließ er keinen brauchbaren Schnappschuss zu. Patric entwickelte sich prächtig. Sein leiblicher Vater und ich hatten unsere Freude an ihm. Ein Jahr blieb ich mit Patric zuhause, dann besuchte er bis zu seinem dritten Lebensjahr die Kinderkrippe und danach den Kindergarten. Er war gerne mit Kindern zusammen und es machte ihm nichts aus, dass er immer mit einer der Letzten war, die von der Kindereinrichtung abgeholt wurden. Patric gliederte sich als aufgeweckter Junge gut in die Gemeinschaft ein. Freundschaften zu bilden, fiel ihm nicht schwer.

Zuhause war Patric ein ruhiges, folgsames und liebebedürftiges Kind. Es gab häufig Einschlafphasen, bei denen ich seine Hand halten musste, bis seine Augen zufielen.

Das Vorlesen hatte er sehr gerne. Dazu kuschelten wir uns zu zweit auf die Couch unter eine mollige Decke. Er suchte die Nähe zu mir und es kam nicht selten vor, dass wir dabei zusammen einschliefen. Das Spielen mit Lego-Steinen machte ihm Spaß und bei komplizierteren Projekten tüftelten wir gerne gemeinsam. Einmal vor Ostern bemalten wir zu zweit sieben ausgeblasene Eier. Patric tauchte seine kleinen Finger in die verschiedenen Farbbehältnisse und wurstelte dann ganz vorsichtig das Ei zwischen seinen Händen. So entstand eine Struktur, bei der die Farben ineinanderflossen und kein Ei glich dem anderen. Dabei kam er aus seinem kindlichen Lachen gar nicht heraus.

Als Patric fünf Jahre alt war, trennte ich mich von seinem Vater. Ich zog mit meinem Sohn aus dem gemeinsamen Haus aus und wir wohnten zukünftig bei Stefan und seiner siebzehnjährigen Tochter Yvonne. Patric und Stefan kamen gut miteinander zurecht. Zum einen lag dies an der Art von Stefan, meinen Sohn so zu nehmen, wie er war. Und Patric hatte das Talent, sich gegebenen Situationen anzupassen. Er akzeptierte Stefan, was sich auch darin widerspiegelte, dass er uns gegenüber Dritten als seine Eltern benannte. Die beiden spielten, lachten, stritten und lernten miteinander.

Die Lawine kommt ins Rollen

Patric wurde merklich unnahbarer. Oft war er extrem genervt, wenn wir mit ihm reden wollten. Wir spürten uns gegenüber Ablehnung. Sein Lebenswandel wurde für uns bedenklich. Patric kam spät abends nach Hause, manchmal verließ er das Haus noch einmal nachts. Der Fernseher oder auch der Computer liefen lange. Zum Schlafen benutzte er nicht mehr sein Bett, sondern er verbrachte die Nacht auf seiner Couch, ohne diese wenigstens zur Schlafcouch auszuziehen. Er lag dazu in seiner Bekleidung in seinem überhitzten Zimmer und wechselte seine Sachen erst, wenn er morgens zur Arbeit musste. Inzwischen türmten sich auch die Bierflaschen, wobei wir ihn nie betrunken erlebten. Das geringe Schlafbedürfnis, trotz seiner Nachtaktivität, diskutierten Stefan und ich oft, doch wir zogen keine Schlüsse in Richtung Drogenkonsum. Die Gedanken, dass Drogen die Ursache sein könnten, kamen uns nicht in den Sinn. Wir erklärten uns sein Verhalten mit der Trennung von seiner Freundin. Da er uns nicht in seine wirkliche Gefühlswelt blicken ließ, stuften wir es als „seine“ Verarbeitung ein. Wir konnten allerdings schwer damit umgehen. Der Wunsch drängte sich auf, mit ihm über diese Probleme zu reden. Seine ausgeprägte Unnahbarkeit hinsichtlich Gesprächen hielt uns jedoch davon ab. Nur hin und wieder konnte ich nicht gegen mein Inneres angehen und dann sagte ich ihm auch ganz direkt, dass sein derzeit geführter Lebenswandel so nicht weiter gehen konnte. Viel lieber nutzte ich aber die Gelegenheit, ihn in den Arm zu nehmen und an mich zu drücken, wenn es die Situation zuließ. Allerdings machte sich auch zeitweise Wut in mir breit. Wir wussten, dass wir den Umgang mit ihm mit Fingerspitzengefühl angehen mussten.

Erleichtert und Zerrissen

Er sprach noch einmal über den 15. Mai, den Tag seiner Kündigung. Es sei der Zeitpunkt gewesen, ab dem er festgestellt habe, dass etwas in seinem Kopf nicht mehr stimme. Er habe sich nicht mehr konzentrieren können, dachte wirres Zeug, wusste zeitweise nicht mehr, wo er sich befand. Deshalb habe er versucht, sich mit Absicht Schmerzen zuzufügen, indem er sich mit einem Schiefer in die Arme ritzte, um wieder einen klaren Verstand zu bekommen. Über seine Drogenzeit sagte er, dass er am Anfang des Crystal-Konsums auch einmal vierzehn Tage lang nichts genommen habe. Doch die Abstände seien immer kürzer geworden. Sein Einstieg in die illegale Drogenwelt habe mit Cannabis begonnen.

Funktionieren als Härtetest

Patric war wieder in der Nähe von Nürnberg zum Arbeiten eingesetzt. Für mich war es der letzte Arbeitstag vor dem Sommerurlaub. Am nächsten Tag mussten noch die Koffer gepackt werden und am Donnerstag startete der Flieger nach Madeira zum Wanderurlaub. Am Mittag klingelte während der Arbeit mein Handy. Erst beim Abnehmen registrierte ich, dass auch Patric schon versucht hatte, mich anzurufen. Ich ahnte nichts Gutes. Stefan war am anderen Ende. Patric hatte inzwischen mit ihm gesprochen. Er wollte nach Hause, heulte und sprach von Klinikeinweisung während unseres Urlaubs. Ich sagte Stefan, dass ich mich mit Patric in Verbindung setzen werde. Wir legten auf. Ich wusste mir im ersten Moment keinen anderen Rat und kontaktierte Andreas, fragte, was passiert sei. Er erzählte mir, dass Patric einfach nicht mehr weiterarbeiten konnte. Er sei antriebslos und erwecke den Eindruck, als ob er gar nicht bei sich wäre. Patric hatte Andreas gestanden, dass er gestern nach der Arbeit wieder Crystal Meth genommen habe. Ich ließ mir von Andreas die genaue Adresse der Baustelle geben und sagte ihm, dass ich Patric abholen würde. Für mich gab es gar keine andere Überlegung. In der Firma machte ich überstürzt die Urlaubsübergabe an meinen Arbeitskollegen. So hatte ich noch nie betrieblich den Urlaub eingeläutet. Doch das war für mich im Moment nicht primär. Meine Gedanken überschlugen sich. Dass mein Sohn erneut Drogen genommen hatte, schockierte mich nicht sonderlich und bestätigte nur unsere Vermutung. Wie sollte es auch anders sein, wenn er sich immer und immer wieder in dem Kreis der Abhängigen aufhielt.

Ich setzte mich in mein Auto und fuhr los. Zwischen Trockau und Pegnitz stand ich eine Stunde im Stau. Ich hatte Zeit, klappte den Sonnenschutz im Auto herunter und schob den darin integrierten Spiegel auf. Ich schaute in meine Augen, musterte mein Gesicht. Ich suchte eine Lösung, rang nach einer Strategie, wie ich mich Patric gegenüber verhalten sollte. Es baute sich Wut in mir auf, aber auch Sorge und Angst um ihn. Eine Extremsituation, in der Logik, Unverständnis, Liebe und Verzweiflung aufeinander prallten. Die Zeit wurde zur Ewigkeit. Zwischendurch rief ich Patric an und sagte ihm, dass es noch eine Weile dauern kann. Er war ungeduldig und hinterfragte dreimal, warum ich nicht schneller bei ihm sein konnte.

Wechselbäder

So hatten wir uns unseren Urlaub nicht vorgestellt. Ich kämpfte anfangs ständig mit den Tränen. Wir versuchten, uns auf die schöne Landschaft Madeiras zu konzentrieren und uns durch Gespräche mit den anderen Teilnehmern unserer kleinen Wandergruppe abzulenken. Doch wir bekamen den Kopf nicht frei. Dafür begleitete uns ein super Wanderführer, der uns alles Wissenswerte und Interessante über die Insel vermittelte und mit unserer Gruppe die Touristen-Highlights zu Zeiten aufsuchte, wo der Besucheransturm noch ausblieb. Es sollte ein Urlaubsmix mit körperlicher Beanspruchung, Wissen um Land und Leute sowie Erholung werden, wenn ja wenn da nicht die ständigen Gedanken an Patric gewesen wären. Es gab Momente, in denen die Sorgen etwas in den Hintergrund traten, in denen uns die Natur mit ihrer Vielfalt, ihrer Größe, ihrer Unerreichbarkeit in Wuchs und Gestalt einnahm. Diese Momente bestärkten uns in unserer Entscheidung, mit dem Urlaubsantritt den richtigen Weg gewählt zu haben. Schon am ersten Tag rief uns Patric an und verlangte die Telefonnummer von Sarah. Wir waren gerade von einer Tour zurück ins Hotel gekommen. Wie das Telefonieren von der Klinik aus geregelt war, wussten wir nicht. Sein Handy hatte er ja zuhause gelassen. Selbst wenn er es mitgenommen hätte, hätte er es nicht behalten beziehungsweise nutzen dürfen. Jedenfalls musste es trotz Kontaktsperre eine Möglichkeit geben, um Telefonate führen zu können. Seinem Wunsch nach Sarahs Telefonnummer kam ich nicht nach. Ich sagte ihm, dass er vernünftig sein und sich helfen lassen solle. Für ihn war dies natürlich nicht die richtige Reaktion, sicherlich viel zu mütterlich. „Lass‘ du dir helfen“, bekam ich zur Antwort. Dann legte er auf. Das versetzte mir einen Stich und es tat unwahrscheinlich weh. Doch ich wusste auch, dass es die Drogen waren, die zu diesem Verhalten führten. Er war immer noch gereizt, uneinsichtig und fühlte sich fehl am Platz.

Zurück ...

17 Uhr klingelte zu Hause das Telefon. Patric meldete sich und offerierte mir, dass er auf eigenen Wunsch aus der Klinik entlassen wurde, jetzt am Busbahnhof stände und ich ihn bitte abholen solle. Wir waren wütend, sprach- und verständnislos zugleich. Ich machte mir Vorwürfe und dachte, dass dies nicht passiert wäre, wenn er mich nicht in der Klinik gesehen hätte. Wir konnten Patrics Entscheidung von unserem Standpunkt aus nicht nachvollziehen. Was spielte sich da in seinem Kopf ab? Welche Vorgänge liefen während der Phase des Entzuges bei ihm ab? Wie groß war der Realitätsverlust und inwieweit war er überhaupt in der Lage, die Situation objektiv einzuschätzen? Mit Wut im Bauch fuhr ich los, um Patric abzuholen. Auf der Fahrt zu ihm geriet ich immer mehr in Rage. Mein Unverständnis wurde immer größer. Mit seiner Reisetasche und einem kleinen Rucksack stand er an einer neben dem Busbahnhof verlaufenden Straße und wartete auf mich. Die Klinik war in diesen Fällen verständlicherweise sehr rigoros. Alle persönlichen Dinge mussten sofort mitgenommen werden. Egal, ob man alles auf einmal weg bekam oder nicht. Es gab in diesem Falle kein Entgegenkommen. Meines Erachtens die richtige Handlungsweise. Aufgrund des kurzen Klinikaufenthaltes hielt sich der Umfang seines Gepäcks in Grenzen. Ich stieg aus meinem Auto. Es gab keine Begrüßung. Sofort gerieten Patric und ich verbal aneinander. Ich sagte ihm, dass ich es einfach nicht verstand, wie man eine in meinen Augen so idiotische und unüberlegte Entscheidung treffen konnte. Zwischen uns krachte es lautstark und es gab richtige Wutausbrüche auf beiden Seiten. Patric behauptete felsenfest, dass es die richtige Entscheidung wäre und der Arzt der Klinik ihn als gesund entlassen hätte. Ich erwiderte ihm, dass ich das nicht glaubte, weil er nicht gesund sei. Er sei drogenabhängig und ich entgegnete ihm auch, dass dieser Zustand noch lange nicht vorbei sein würde. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass die erste Hürde auf dem Weg zur Drogenfreiheit genommen wäre, wenn er die Entgiftung durchgezogen und anschließend eine Therapie begonnen hätte. Das wäre die richtige Entscheidung gewesen, aber nicht dieser überstürzte Abbruch. Ich schrie ihn an, fuchtelte mit den Armen und hatte mich zeitweilig nicht mehr unter Kontrolle.

Ein großes Zwischenziel war erreicht

Im Laufe der Unterhaltung zwischen Patric und Rico bekamen wir mit, dass er heute einen Mietvertrag für eine eigene Wohnung unterschrieben hatte. Ab 1. August würde das Mietverhältnis beginnen. Ich dachte, ich hätte mich verhört. Es war wieder einmal die Art und Weise von Patric, bedeutende Dinge so ganz nebenbei auszuplaudern, ohne dass auch nur eine Gefühlsregung bei ihm zu erkennen war. Doch diesmal glaubte ich zu sehen, dass ein zögerliches, triumphierendes Lächeln über sein Gesicht huschte. Nun hatte ich gleich tausend Fragen auf meinen Lippen. Doch ich zögerte, ihn damit sofort zu überfallen. Ich fragte erst einmal nur, wo sich die Wohnung befand. Da Patric in der Vergangenheit auch einige Male von einer anderen Stadt gesprochen hatte, war ich froh zu hören, dass mein Arbeitsort sein zukünftiger Wohnort sei. Ich freute mich für ihn und er musste dies an meinem strahlenden Gesicht erkannt haben. Natürlich wollten Stefan und ich wissen, ob wir die Wohnung in den kommenden Tagen schon einmal anschauen könnten. Das war für Patric kein Problem.

Sportlicher Kraftakt

Ein kühler Morgen. Nach dem Frühstück fuhren Stefan und ich zur Austragungsstätte des Duathlons. Noch waren wenige Leute vor Ort. Patric sahen wir nicht. Hatte er es sich vielleicht doch anderes überlegt und uns nur nicht informiert? Wir schauten uns auf dem Gelände etwas um, mit dem Ziel, einen Überblick zum Ablauf zu bekommen. Plötzlich stoppte Patric mit dem Fahrrad neben uns. Er hielt also an seinem Vorhaben fest. Bekleidet war er mit einem kurzärmligen blau-weißen Dress und kurzen schwarzen Radhosen. Er sah sehr schmal aus. Auf dem Rücken trug er einen Rucksack. Für diesen sehr frischen Morgen war er viel zu luftig angezogen. Bis zum Start wäre er total ausgekühlt. Den Muskeln tat dies vor der anstehenden Beanspruchung sicherlich auch nicht gut. Die Begrüßung fiel locker aus. Wir zeigten Patric, wo er sich für den Wettkampf anmelden musste und fragten ihn, ob er auch seine Nennbestätigung mitgebracht hatte. Er kam ins Stocken. Diese hatte er zuhause vergessen. Also musste er noch einmal zurückfahren. Wir sagten ihm, dass er sich doch eine lange Sporthose und eine Jacke anziehen sollte, denn er musste bis 11.30 Uhr aushalten. Erst dann startete seine Klasse. Patric schwang sich auf sein Rad und fuhr davon. Für uns war diese Vergesslichkeit wieder einmal nicht nachvollziehbar. Denn wir konnten uns nur schwer vorstellen, warum man bei so einem wichtigen Vorhaben nicht dreimal überprüft und kontrolliert, ob man wirklich alles eingepackt hat.

Patric kam noch rechtzeitig zurück. Die Unterlagen hatte er dabei und eine Jogginghose und ein langärmliges Shirt hatte er sich auch angezogen. Er ging ins Organisationsbüro, um sich anzumelden und anschließend erfolgte die Überprüfung der Fahrräder auf Sicherheit. Konnte hier noch ein Ausschluss erfolgen? Gespannt warteten wir auf das Ergebnis. Doch es war alles in Ordnung. Mit den Startunterlagen erhielt er seine Startnummer 73 und einen Streckenplan.

Alte Freunde

Liebes Tagebuch, ich habe ja jetzt schon wieder 4 Tage nicht mehr geschrieben. Das lag wohl daran, dass ich in diesen Tagen mal wieder alte „Freunde“ aufgesucht habe. Ich hatte in dieser Zeit, so wie ich glaube, viele kleinere und größere Psychosen. Na ja und gestern und heute war es auch auf Arbeit besonders schlimm. Am Montag, denke ich, habe ich mich kurz mit Enrico getroffen wegen meiner PS2, die ich auch wieder habe. Jedenfalls sah er wirklich schlecht aus … wie ein Zombie. Ich habe am nächsten Tag mit Sarah kurz über ihn gequatscht und sie meinte, sie hätte ihn letztens auch irgendwann einmal kurz gesehen und da sah er richtig böse aus, hat sie gemeint und dass er richtige Filme schieben muss. Das ist krass, denn ich weiß, was sie meint. (…) Soweit geht es mir aber wieder gerade ganz gut .

 Reflektion

Dadurch, dass ich in letzter Zeit wieder so viel bei den alten Leuten war und so viel mit Sarah zu tun hatte, bin ich in ein ganz schön tiefes Loch gefallen. Der Umgang auf Arbeit hat es mir heute auch nicht gerade einfacher gemacht. Am besten, ich nehme dich morgen einmal mit auf Arbeit. Ich bin gerade einfach zu müde und werde gleich schlafen gehen. Wo ist der unbeschwerte, freie Patric, den ich kennen und lieben gelernt habe? Wird Zeit, dass du wieder da bist. Eine Mütze voll Schlaf reicht hoffentlich aus.

Am Rande eines Strudels

Noch bemerkten wir den Strudel der Crystalfolgen nicht, dem er sich gefährlich näherte. Wenn wir uns sahen und uns nach seinem Befinden erkundigten, war immer alles in Ordnung. Patrics Empfindungen bewegten sich zwischen Leere und Überfüllung. 

Obwohl er Fortschritte und Erfolge für sich verbuchen konnte, quälte ihn weiterhin an manchen Tagen die fehlende Selbstmotivation. Er zweifelte seine Handlungen an und analysierte sie nachträglich. Er tat viel, um den Anschluss an die Zeit vor den Drogen zu finden. In seinem Kopf ging es drunter und drüber. Er kam nicht zur Ruhe. Widersprüche, Überzeugung, Freude, Selbstzweifel, Wut, Verachtung – und wieder sollte er in den nächsten Tagen die Folgen von Crystal Meth spüren. Am 29.10.2012 schrieb Patric in sein Tagebuch:

Übrigens ist es ab und zu so, dass ich immer noch Psychosen habe bzw. mir etwas kurz einbilde zu sehen, wie, wo ich gestern aus dem Haus raus bin und dachte, ich sehe eine tote Katze. Dabei war es nur Schnee.

Wir lesen auch Zeilen, wo er sich verfolgt fühlte und glaubte, dass er im Augenwinkel immer jemand sieht, der nicht von seiner Seite weicht – Folgen des Drogenkonsums.

Der Klinikaufenthalt

Für Patric hatte der Kampf an zwei Fronten begonnen – zum einen gegen den Suchtdruck: Vierundzwanzig Stunden am Tag, unerbittlich, der Versuchung ausgesetzt, rückfällig zu werden. Zum anderen gegen die Folgen des jahrelangen Crystal-Konsums – gegen die Depressionen.

Patric saß links neben mir. Ich legte meine Hand auf seine Schulter. Plötzlich umarmte er mich und Tränen liefen über sein Gesicht. Ich fragte ihn, wie er sich fühle und weshalb es zur Klinikeinweisung kam. Er sagte mir, dass er seine Stimmungsschwankungen, so nannte er es, der letzten Tage nicht in Worte fassen könne. Das Auf und Ab, das Hin und Her seiner Verfassung machte ihm Angst. Er hatte oft den Eindruck, aus seiner Negativstimmung nicht mehr herauszukommen – er wäre depressiv.